Armenien

back

Mein erster Aufenthalt in Armenien fand im Rahmen eines Reisestipendiums in die damalige UdSSR statt. Für einen Künstleraustausch wurde ich zusammen mit dem Maler Dietmar Gross vom deutschen Berufsverband Bildender Künstler ausgewählt, um 1987 auf Einladung des sowjetischen Künstlerverbands nach Moskau und anschließend nach Armenien zu reisen. Die Zeit in Moskau war nicht nur durch die bereits im Oktober eisigen Temperaturen sondern auch durch das Versteckspiel mit den sowjetischen »Betreuern« geprägt, um frei von KGB-Beobachtung russische Künstler-Kollegen wie Maxim Kantor zu besuchen, mit dem mich seit dieser Zeit eine enge Freundschaft verbindet.


In Armenien war danach alles anders. Es herrschten frühlingshafte Temperaturen, ob Obst oder Schampus – es gab alles, was es in Moskau nicht gab, und gleichzeitig herrschte, zumindest auf den ersten Blick, eine relativ freie und wunderbar südländische Atmosphäre.
Für uns befremdlich war die extrem nationalistische Haltung, die den aktuellen Kampf um die Unabhängigkeit von der sowjetischen Herrschaft bestimmten. Historische Ereignisse wie der armenische Genozid durch die Türkei im Jahre 1915 schienen sich als ein tiefes gesellschaftliches Trauma durch die Gespräche zu ziehen, und an die verlorenen Gebiete erinnerte man uns mit dem selbst in der Hauptstadt Jerewan allgegenwärtigen Blick auf den heiligen Berg Ararat, der sich heute hinter der Grenze auf dem Gebiet der Türkei befindet. Immer wieder musste ich bei Diskussionen, bei denen es um die aktuelle politische Situation, um Fragen über Glasnost und Perestroika ging, nachfragen, was das denn jetzt sei, was man da erwähne, – und dann stellte sich heraus, dass es sich um ein historisches Ereignis handelt, das 500 Jahre zurück liegt.

Ein Jahr später, 1988, kehrte ich nach Jerewan zurück. Die Einreise über Moskau war bereits extrem schwierig, denn der Konflikt mit Aserbeidschan um die Region Berg Karabach war gerade wieder eskaliert.
Während über den Demonstrationen die schweren Helikopter der Sowjet-Armee im bedrohlichen Tief-Flug donnerten, wurden fanatisch die Plakate mit den historischen Freiheitskämpfern hochgerissen: Ob Wardan Mamikonjan, der armenischer Heerführer, der im Jahre 451 in der Schlacht von Avarayr zum Märtyrer wurde, ob General Andranik Ozanian, dem die Geschichtsschreibung Massaker zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der aserbaidschanischen Bevölkerung zuschreibt oder Hagop Hagopian, der als Untergrundkämpfer der terroristischen Armenian Secret Army for the Liberation of Armenia (ASALA) verantwortlich ist für das grausame und tödliche Bombenattentat von 1986 auf dem Pariser Flughafen Orly.


medium-leer columns
Demonstranten in Armeinien 1988

Armenien 1988

medium-leer columns

back


Armenia

My first stay in Armenia was as part of a travelling scholarship to the former USSR. I was selected for an artist exchange together with the painter Dietmar Gross by the German Professional Association of Visual Artists to travel to Moscow and then to Armenia in 1987 at the invitation of the Soviet Artists' Association. The time in Moscow was characterised not only by the freezing temperatures in October, but also by the game of hide-and-seek with the Soviet ‘supervisors’ in order to visit Russian artist colleagues such as Maxim Kantor, with whom I have had a close friendship ever since.

Everything was different in Armenia afterwards. Spring-like temperatures prevailed, whether fruit or champagne – there was everything that was not available in Moscow, and at the same time there was, at least at first glance, a relatively free and wonderfully Mediterranean atmosphere.
What we found strange was the extremely nationalistic attitude that characterised the current struggle for independence from Soviet rule. Historical events such as the Armenian genocide by Turkey in 1915 seemed to run through the conversations as a deep social trauma, and we were reminded of the lost territories with the omnipresent view of the sacred Mount Ararat, which is now located across the border on Turkish territory, even in the capital Yerevan. In discussions about the current political situation, about glasnost and perestroika, I had to ask again and again what this was that was being mentioned – and then it turned out that it was a historical event that happened 500 years ago.

A year later, in 1988, I returned to Yerevan. Entering the country via Moscow was already extremely difficult, because the conflict with Azerbaijan over the Nagorno-Karabakh region had just escalated again.
While the heavy helicopters of the Soviet army thundered over the demonstrations in menacing low-level flight, the posters with the historic freedom fighters were fanatically torn up: Whether Vardan Mamikonian, the Armenian army commander who was martyred in the Battle of Avarayr in 451, General Andranik Ozanian, to whom historiography attributes massacres of the Azerbaijani population at the beginning of the 20th century, or Hagop Hagopian, who as an underground fighter in the terrorist Armenian Secret Army for the Liberation of Armenia (ASALA) is responsible for the cruel and deadly bomb attack at Orly Airport in Paris in 1986.


back