Riga

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Die Bilder aus Riga aus dem Jahre 2013 haben historische Bedeutung. Denn im August 2022 wurde das sogenannte sowjetische Siegesdenkmal auf Beschluss des lettischen Parlaments abgerissen. Bis dato feierte hier immer am 9. Mai die russische Minderheit, die in Lettland immerhin circa 30 Prozent der Bevölkerung ausmacht, den Tag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg: Die Befreiung Lettlands von der Besatzung Nazi-Deutschlands. So auch am 9. Mai 2013, als ich Riga zum ersten Mal besuchte. Doch das Denkmal mit seinem 80 Meter hohen Obelisken mit einem sowjetischen Stern an der Spitze und den drei monumentalen sowjetischen Soldaten zusammen mit einer Mutter Heimat-Figur stand schon immer symbolisch für den tiefen Riss in der Gesellschaft Lettlands zwischen lettischer und russisch-stämmiger Bevölkerung. Für die einen war es das wichtigste Identifikationsobjekt, für die anderen war der Tag der Befreiung auch immer der Tag des Beginns der fast 50jährigen Sowjet-Besatzung und -Unterdrückung.


Als Reaktion auf den Beginn des brutalen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Jahre 2022 beschloss das lettische Parlament, alle sowjetischen Ehren-Denkmäler im Land zu demontieren. Das Siegesdenmal in Riga wurde im August gesprengt.

Der gesellschaftliche Konflikt wurde noch einmal verschärft, als die Regierung von allen Einwohnern Lettlands mit russischer Staatsangehörigkeit die Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung einforderte, für die in einem Sprachtest alltagstaugliche Kennnisse der offiziellen lettischen Sprache abgefragt werden. Doch viele dieser 50.000 Bürger, die zum Teil seit ihrer Geburt in Lettland leben, konnten das ihnen zugestellte Behördenschreiben gar nicht lesen, da sie überhaupt kein Lettisch verstehen. Sollten sie alle weiteren Übergangsfristen verstreichen lassen, droht manchen von ihnen dann die Abschiebung nach Russland.


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Das wiederum erzürnte Kremlchef Wladimir Putin, der behauptete: »In den baltischen Staaten werden Zehntausende Menschen zu ‘Untermenschen’ erklärt, ihnen werden die grundlegendsten Rechte entzogen«. Äußerungen, die in Lettland mit großer Sorge wahrgenommen werden – hat schließlich Putin genau mit diesem Narrativ seinen Einmarsch in der Ukraine gerechtfertigt: Man müsse die russischen Landsleute beschützen, die in der Ost-Ukraine von dem Nazi-Regime in Kiew verfolgt und bedroht würden.

Die Farbserie mit den Rücken-Ansichten der Passantinnen beschreibt für mich die Gegensätzlichkeit, der ich in Riga begegnet bin. Auf der einen Seite die grauen und tristen Vorstädte mit ihren endlosen Wohnblocks der kommunistischen Zeit. Dann wiederum diese Farben: Noch nirgendwo habe ich in so kurzer Zeit so viele Kleider mit solch unglaublichen Farben und Mustern gesehen, wie auf den Straßen im Zentrum Rigas. Ich näherte mich den Passantinnen mit Weitwinkel-Objektiv und Blitz. Eigentlich entstand die Serie in nur wenigen Minuten.


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Der Aufenthalt in Riga im Jahr 2013 fand im Rahmen einer meiner vielfältigen Auslandsexkursionen statt, die ich innerhalb meiner fotografischen Lehre an der Hochschule Mainz für die Studentinnen und Studenten veranstaltete. Gemeinsam erarbeiteten wir vor Ort ein Städte-Porträt der lettischen Hauptstadt. Für die Ausstellung, in der die Ergebnisse präsentiert wurden, entstand ein Ausstellungs-Katalog, in dem an letzter Stelle auch meine Arbeiten als Lehrender gezeigt wurden.


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Riga

The pictures from Riga in 2013 have historical significance. In August 2022, the so-called Soviet Victory Monument was demolished by order of the Latvian parliament. Until then, the Russian minority, which makes up around 30 per cent of Latvia's population, had always celebrated Victory Day in the ‘Great Patriotic War’ here on 9 May: the liberation of Latvia from the occupation of Nazi Germany. This was also the case on 9 May 2013, when I visited Riga for the first time. However, the memorial, with its 80-metre-high obelisk topped with a Soviet star and three monumental Soviet soldiers together with a ‘Mother Motherland’ figure, has always been symbolic of the deep rift runs through Latvian society between the Latvian and Russian-born populations. For some, it was the most important object of identification; for others, the day of liberation was always also the day of the beginning of almost 50 years of Soviet occupation and oppression.

In response to the start of Russia's brutal war of aggression against Ukraine in 2022, the Latvian parliament decided to dismantle all Soviet monuments of honour in the country. The Victory Memorial in Riga was blown up in August.

The social conflict was further intensified when the government required all residents of Latvia with Russian citizenship to apply for a residence permit, for which a language test was used to assess everyday knowledge of the official Latvian language. But many of these 50,000 citizens, some of whom have lived in Latvia since birth, were unable to read the official letter sent to them, as they do not understand Latvian at all. If they let all further transitional periods pass, some of them will then face deportation to Russia.



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This in turn angered Russian President Vladimir Putin, who claimed: »In the Baltic states, tens of thousands of people are being declared ‘subhumans’ and deprived of their most fundamental rights.« These statements have been received with great concern in Latvia – after all, Putin used precisely this narrative to justify his invasion of Ukraine: He said that he had to protect the Russian compatriots who were being persecuted and threatened by the Nazi regime in Kiev in eastern Ukraine.

For me, the colour series with the backs of passers-by describes the contrasts that I encountered in Riga. On the one hand, the grey and dreary suburbs with their endless apartment blocks from the communist era. Then again, these colours: Nowhere else have I seen so many clothes with such an incredible variety of colours and patterns in such a short time as on the streets in the centre of Riga. I approached the passers-by with a wide-angle lens and flash. Actually, the series was taken in just a few minutes.

My stay in Riga in 2013 was part of one of my many excursions abroad that I organised for students as part of my photography teaching at the University of Applied Sciences in Mainz. Together, we developed a city portrait of the Latvian capital. An exhibition catalogue was created for the exhibition in which the results were presented, with my work as a teacher shown at the end.


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